Grammatik - lästiges Regelwerk oder hilfreiches Lernmittel?

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Hat die Schule uns den Spaß an der Grammatik verdorben? Beim Thema Sprache und Grammatik wenden sich viele am liebsten ab und es gibt erstaunliche Angebote, die das Erlernen der Grammatik obsolet machen sollen, mit dem Ziel sie möglichst zu umgehen. Dabei wird übersehen: Das Verstehen von Regeln nimmt bei Erwachsenen einen nicht unwichtigen Stellenwert ein. Die Grammatik gehört zum Erlernen einer Sprache natürlich (!) dazu.

Bezogen auf erwachsene Lernende gehört zum Lernen einer Fremdsprache eine gehörige Portion Eigenmotivation dazu. Daneben ist der Lernerfolg auch davon abhängig, wie gut der Unterricht auf die Individualität eines jeden Einzelnen eingeht. Eine Methode, die jeden dort abholt, wo er steht und die es schafft, die wichtigsten Grammatikzeiten einprägsam zu vermitteln, verspricht meines Erachtens sehr gute Erfolgsaussichten auf baldige Lernfortschritte.

Wovon wir ausgehen können ist, ins Langzeitgedächtnis kommt nur das Wichtigste. Das macht Sinn, denn das Gehirn will und kann sich nicht alles merken. Es muss selektieren. Das Selektieren gehört für Journalisten zum Beruf. Als Englischtrainer/in blickt man hingegen durch diese Brille: Was brauchen die Lernenden unbedingt, was nicht, was interessiert sie, was nicht?

Beim Thema Grammatik lässt sich gut selektieren, denn als Trainer findet man schnell heraus, wo jeder Einzelne unsicher ist und wo hingegen es problemlos klappt. Bei den Unsicherheiten setzt man an, wo Sicherheit besteht, hält man sich nicht auf. Immer mit dem Ziel, schnell wieder auf das zurückzukommen, was mindestens ebenso wichtig ist: aktives Sprechen, Diskutieren, Hören, also üben. Daher zuerst einmal analysieren: wo besteht Unsicherheit in der Grammatik? Dort in kleinen und verständlichen Happen wiederholen und danach sprechen, diskutieren, das Gelernte anwenden.

Mit Blick auf die wichtige Eigenmotivation beim Sprachenlernen hat das, meiner Meinung nach, den positiven Effekt, dass das Thema Grammatik nicht zu zentral wird – aber dennoch den Stellenwert erhält, der ihm gebührt: Sie spielt eine zentrale Rolle für die korrekte Kommunikation in einer Zielsprache.

Schritt für Schritt ins Langzeitgedächtnis

Erstens: Der Lernende wird sich bewusst: die richtige Anwendung der Zeiten führt ihn zu seinem Ziel. Dann ist er in der Lage, alle Gedanken korrekt in der Zielsprache zu formulieren.

Zweitens: Der Lernende wird sich darüber klar, dass etwas von ihm gefordert ist. Eine Sprache zu erlernen verlangt, wie vieles im Leben, ein gewisses Maß an Anstrengung und Zeit, also eine mentale Leistung. Ebenso wird sich der aktive Wortschatz=Vokabular eines jeden Lernenden linear vergrößern, entsprechend der Menge an Zeit, die er/sie die Sprache liest, spricht, lernt. 

Drittens: Der Lernende erfährt, dass die Grammatik (hier Englische Grammatik) nicht unendlich ist. Sie lässt sich gut strukturieren und aufteilen. So können alle Themen nacheinander abgearbeitet werden. Für jedes Thema sollten beherrscht werden: die korrekte Formulierung von Aussagen, Verneinungen und Fragen und zu wissen, wann welche Zeit warum angewendet wird. Zeiten, die bekannt, also gekonnt sind, können einfach übergangen werden.

Thema 1  Simple Present vs Present Continuous
Thema 2  Simple Past vs Present Perfect
Thema 3  Present Perfect vs Present Perfect Continuous
Thema 4  Past Perfect
Thema 5  Past Continuous
Thema 6  Will- vs Going to- Future
Thema 7  Present Continuous- vs Simple Present- Future
Thema 8  Conditional I vs II
Thema 9  Conditional III
Thema 10  Passiv


Das ist eine mögliche Art der Aufteilung der Zeiten. Diese könnten auch untereinanderstehen, nicht gegenübergestellt. Ebenso gibt es daneben weitere Zeiten, wie Unterformen, aber diese zehn Themen sind die zentralsten, weil wichtigsten Zeiten für eine korrekte Kommunikation auf Englisch.

Viertens: Wurden alle Themen wiederholt und besprochen, ist der Lernende jetzt in der Lage, die meisten seiner Gedanken korrekt in der englischen Sprache zu formulieren. Das gibt ihm große Sicherheit. Im besten Fall erlebt er AHA-Effekte und das Gelernte ist im Langzeitgedächtnis abgespeichert.

Fünftens: Als sehr effektive Übung hat sich das Durchdeklinieren erwiesen. Hierbei wird ein einfacher Satz nacheinander in jede der wichtigsten Zeiten gesetzt. Es entstehen zwangsläufig sinnfreie Sätze, aber es geht nicht um den Inhalt, sondern um die Satzstruktur, darum, diese immer wieder richtig zu bilden.

SIMPLE PRESENT          The boy likes the color red.     
PRESENT CONTINUOUS        The boy is liking the color red.
PRESENT PERFECT       The boy has liked the color red.
PRESENT PERFECT CONTINUOUS     The boy has been liking the color red.
SIMPLE PAST    The boy liked the color red.
PAST CONTINUOUS    The boy was liking the color red.
PAST PERFECT     The boy had liked the color red.
CONDITIONAL I    If the boy likes a color, it will be red.
CONDITIONAL II      If the boy liked a color, it would be red.
CONDITIONAL III        If the boy had liked a color, it would have been red.
WILL-FUTURE     The boy will like the color red.
GOING-TO-FUTURE    The boy is going to like the color red.
PRESENT CONTINUOUS-FUTURE    The boy is liking the color red.
SIMPLE PRESENT-FUTURE      The boy likes the color red.
PASSIVE       The color red is being liked by the boy.
   


Wiederholungen machen Sinn 

Vor kurzem war Leon Windscheid in einer deutschen Talkshow zu Gast. Er gewann Ende 2015 in der Sendung „Wer wird Millionär“ eine Million Euro. In der Talkrunde berichtete er, wie er sich auf die Sendung vorbereitet hatte. Er hatte drei Monate vor der Sendung jeden Tag acht Stunden lang Wissen in sich hineingepaukt, aus den verschiedensten Bereichen, und dieses immer wieder wiederholt. Kann es Zufall sein, dass am Ende derjenige gewinnt, also Erfolg hat, der einen hohen Aufwand betreibt und sein Gehirn sehr gezielt fordert? Geschichten wie diese aus dem Leben und meine persönlichen Erfahrungen sagen mir, dass unser Gehirn mit eindeutigen Regeln kein Problem hat. Das Gehirn muss sie nur oft genug üben. Wir müssen zulassen, dass sie dazugehören.

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