Das 70-20-10-Modell: Der beste Weg zur Weiterbildung?
- von Christina Klausner
- Fremdsprachen & HR
Stillstand ist einer der größten Feinde von erfolgreichen Unternehmen – nicht nur im Hinblick auf Entwicklung und Wachstum, sondern auch auf die Mitarbeiter. Ein überaus wichtiges Thema im HR-Bereich sind daher die Möglichkeiten der Weiterbildung. Angestellte sollen Ihr Know-How stetig erweitern und bereits Erlerntes wieder auffrischen. Das Resultat sind nicht nur intelligente, sondern auch zufriedene und motivierte Mitarbeiter. Es ist nämlich längst kein Geheimnis mehr, dass regelmäßige Weiterbildungsmaßnahmen das Betriebsklima verbessern. Doch wie integriert man Weiterbildungen am besten in den beruflichen Alltag? Eine Möglichkeit ist das 70-20-10-Modell.
Was ist das 70-20-10-Modell?
Das 70-20-10-Modell hat seinen Ursprung in den USA – genauer gesagt im Center for creative Leadership. Hier entstand das Buch „The Career Architect Development Planner“ von den beiden Autoren Michael M. Lombardo und Robert W. Eichinger. Die Annahme der beiden: Der Mensch lernt auf verschiedenen Wegen dazu. Am besten ist es, die unterschiedlichen Möglichkeiten miteinander zu kombinieren – und zwar nach einem ganz bestimmten Verteilungsschlüssel:
- 70 % unserer Ressourcen investieren wir in die Weiterbildung durch praktische Erfahrungen am Arbeitsplatz, sprich: learning by doing.
- 20 % der Weiterbildung erfolgt durch das Beobachten anderer und den Austausch mit Kollegen. Zu diesem Feld gehören beispielsweise auch Coachings, Teamarbeiten und Mentoring-Programme, also alle Weiterbindungsmöglichkeiten, in denen Menschen miteinander interagieren.
- 10 % unseres beruflichen Wissens erlangen wir durch theoretische Weiterbildungsangebote wie Seminare und Workshops, in denen es vorrangig um das Zuhören geht.
Dass theoretische und praktische Weiterbildungselemente miteinander verbunden werden sollen, dürfte nur wenig überraschend sein. Der eigentliche Aha-Effekt tritt auf, wenn man sich die Verteilung beziehungsweise Gewichtung der einzelnen Punkte anschaut. Es ist nicht zu übersehen, dass das 70-20-10-Modell den Fokus ganz klar auf die praktische Weiterbildung legt. Doch was genau bedeutet das für Sie als Personaldienstmitarbeiter?
Ein gutes (Weiter-)Lern-Umfeld schaffen
Es bedeutet, dass das bloße Anbieten von Weiterbildungsmaßnahmen – beispielsweise im Bereich Fremdsprachen – nicht ausreicht. Wer seine Mitarbeiter individuell und ganzheitlich fördern und ihre Weiterentwicklung unterstützen will, sollte auch im täglichen Berufsalltag darauf achten, dass es immer die Möglichkeit gibt, etwas zu lernen.
Bleiben wir bei unserem Beispiel Fremdsprachen. Beruft man sich auf die 70-20-10-Regel – die im übrigen auch Kritiker hat – bedeutet das, dass ein Großteil der Sprache in der Praxis erlernt wird. Klingt einleuchtend, oder? Im Sinne des 70-20-10-Modells werden Weiterbildung und Arbeitsprozesse nicht getrennt voneinander betrachtet, sondern bestenfalls zu einer Einheit gemacht. Gerade im Bereich Fremdsprachen gibt es hierfür viele Herangehensweisen – man muss sie den Mitarbeitern nur ermöglichen.
Der wohl einfachste Weg ist schlicht und ergreifend, die Mitarbeiter zu animieren, die erlernte Sprache auch tatsächlich zu gebrauchen. Kaum etwas ist schädlicher für eine Fremdsprache als ihre „Missachtung“. Wer das Erlernte nicht in der Praxis umsetzt, kann es nicht festigen und verlernt es innerhalb kürzester Zeit wieder. Mit anderen Worten: Die Weiterbildung war für die Katz‘. Effizientes HR-Management sieht anders aus. Eine Fremdsprache aktiv einzusetzen, ist letzten Endes nichts anderes als den Lernstoff zu wiederholen. Und Wiederholungen sind wichtig, um nicht zu vergessen und das Neue in etwas Selbstverständliches zu verwandeln.
Grundsätzlich sollte immer bedacht werden, dass Weiterbildungen nicht „einfach so“ angeordnet werden sollten. Sie dienen im Idealfall immer einem Zweck, denn dann ist es hinterher auch viel besser möglich, das Erlernte in der Praxis zu vertiefen. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter, der nie Kontakt zu englischsprachigen Kunden hat, kann zwar eine Weiterbildung besuchen, das Beigebrachte aber nicht anwenden. Es stellt sich schnell die Frage, wozu das Seminar oder das Training gut war. Ganz anders verhält es sich bei dem Außendienstmitarbeiter, der stets und ständig auf seine Fremdsprachenkenntnisse zurückgreifen und verschiedene Fähigkeiten an den Tag legen muss. In seinem Fall ist es sinnvoll, nicht nur Vokabeln aufzufrischen, sondern beispielsweise auch Weiterbildungsangebote in den Bereichen Vertrieb, Kundenbindung und interkulturelle Kompetenz anzubieten.
Wichtig
Wenn Sie das 70-20-10-Modell in der Praxis anwenden wollen, dürfen Sie sich nicht nur als Anbieter einer Weiterbildungsmaßnahme verstehen. Sie als Personaldienstmitarbeiter sind dafür verantwortlich, ein gutes Lernumfeld zu schaffen und die Mitarbeiter aktiv zu motivieren, das Erlernte in der Praxis einzusetzen.
Der symbolische Gehalt vom 70-20-10-Modell
Wie weiter oben bereits erwähnt wurde, gibt es auch immer wieder kritische Stimmen, die zum 70-20-10-Modell laut werden. Ein häufig aufgeführtes Argument: Nur 10 Prozent der Ressourcen (also beispielsweise Zeit und Geld) in klassische Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren, ist zu wenig.
Das kann durchaus sein, doch sollten Sie auch nie vergessen, dass das 70-20-10-Modell nicht wortwörtlich verstanden werden muss. Die Zahlen beruhen zwar auf einer Untersuchung, dürfen aber dennoch nicht als in Stein gemeißeltes Gesetz verstanden werden. Fakt ist: Eine formelle Ausbildung, also der Besuch einer Schule, Studium oder Berufsausbildung, sind Pflicht für alle, die Karriere machen wollen. Auch nach Berufseinstieg sollte stets darauf geachtet werden, seinen theoretischen Wissensstand zu erweitern, aber ihn eben auch in der Praxis zu festigen.
Letztlich muss auch darauf verwiesen werden, dass jeder Mensch anders lernt. Jeder von uns bevorzugt andere Methoden und jeder hat ein anderes Lerntempo. Es wäre extrem kontraproduktiv, trotzdem jeden Mitarbeiter in das gleiche Weiterbildungsschema zu pressen und starr auf das 70-20-10-Modell zu beharren.
Fazit: Theorie und Praxis müssen in einem guten Verhältnis zueinander stehen
Der Aufbau einer theoretischen Wissensbasis ist unverzichtbar – nicht nur im Bereich Fremdsprachen. Wurde das Fundament einmal gegossen, muss jedoch immer auch darauf geachtet werden, es zu festigen – bestenfalls durch die praktische Anwendung der Sprache. Das 70-20-10-Modell bietet einen guten Ansatz für die Verknüpfung und Kombination unterschiedlicher Weiterbildungsmaßnahmen und verdeutlicht, wie wichtig es ist, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis zu lernen.
Wer das Modell umsetzen will, muss jedoch keinesfalls auf die genaue Verteilung der einzelnen Bereiche achten. Die Zahlen 70, 20 und 10 sind eher symbolischer Natur und können als Richt- oder Orientierungswerte verstanden werden. Es handelt sich hierbei keinesfalls um unveränderbare Vorschriften.
Für Sie als Personaldienstmitarbeiter oder HR-Manager ist es wichtig, darauf zu achten, dass den Angestellten stets ein gutes Lernumfeld geboten wird – sowohl in Form von Weiterbildungsangeboten als auch durch die Möglichkeit, das Erlernte in der Praxis wirklich einsetzen zu können.